Suche

Blog

Krisen und die Neuausrichtung des Lebens

aeon_blog_krisen-und-die-neuausrichtung-des-lebens

Schnell ist es gegangen. Zum Jahreswechsel war Covid19 noch eine Viruserkrankung weit weg in China und im Februar drang sie, durch die Ereignisse mit den hohen Krankheits- und Todeszahlen in der Lombardei, auch in Europa stark in unser Bewusstsein.

Mitte März gab es den Lockdown in der Schweiz, aber auch in vielen anderen europäischen Ländern. Das öffentliche Leben wurde praktisch stillgelegt. Öffentliche Versammlungen und Treffen über 5 Personen wurden verboten, Schulen, Weiterbildungs-Institutionen, Geschäfte, Restaurants und vieles mehr wurden geschlossen, die Firmen dazu aufgefordert, möglichst viel im Homeoffice zu erledigen. Dinge, die vorher unmöglich schienen, waren während dieses Shutdowns innerhalb weniger Tage umgesetzt.

Wir könnten uns jetzt über die negativen Aspekte unterhalten, welche mit diesem Lockdown einhergingen, aber das ist nicht das Ziel dieses Artikels.

In der Psychosynthese und im hawaiianischen Huna lehren wir, dass es wichtig ist, die negativen Aspekte in einer Situation wahrzunehmen und nicht zu verleugnen, damit wir für die Zukunft etwas lernen und verbessern können. Gleichzeitig richten wir unseren Fokus vermehrt auf die positiven Aspekte und die Potenziale. Wir verwenden dazu zwei Techniken: „Die Zusammenarbeit mit dem Unausweichlichen“ und die „Segnung des Hindernisses“.

Wenn wir Krisen betrachten, dann verhält es sich mit persönlichen Krisen durchaus ähnlich, wie mit unternehmerischen oder globalen Krisen. Wir können oftmals, genauso wie in Trauer- oder Trennungsprozessen, verschiedene Phasen beobachten.

Und im Grundprinzip ist jede Krise ein Trauer- und Trennungsprozess, denn jede Krise fordert uns auf, Bestehendes loszulassen und neue Wege zu suchen. Was einfach klingt, ist in der Wirklichkeit eine existenzielle Herausforderung.

Beobachtbare Phasen in Krisen aller Art

  • Nicht-Wahrhabenwollen oder Verleugnung
  • Emotionale Reaktionen wie Wut, Aggression, Zorn
  • Verhandeln und Assimilation/Anpassung
  • Neuausrichtung / neue Selbstwahrnehmung

Wir konnten und können diese Phasen in der aktuellen Pandemie ebenfalls sehr gut beobachten. Während wir anfänglich die drohende Pandemie nicht wahrhaben wollten oder verleugneten, wich diese Reaktion bei der Zunahme der Ansteckungs- und Todeszahlen immer mehr einer emotionalen Reaktion. Es wurden Schuldige gesucht und gefunden. Sei dies das Virus selbst, das chinesische Volk, Wuhan, die Labors, Bill Gates, die Immunologen, die Politik usw. Die krudesten Ideen tauchten auf und ganz viele Menschen erhofften sich rasche Lösungen aus der Pharmazie und der Politik. Die anderen sollten etwas tun, etwas verändern.

Diese Phase ging fließend über in die Verhandlungs- und Assimilationsphase. Jetzt wurde abgewogen und überlegt, was gemacht werden muss, damit die Pandemie möglichst schnell gelöst oder zumindest in den Griff bekommen werden kann. Was für Regeln braucht es, damit die Wirtschaft möglichst rasch wieder läuft? Ist Masken tragen sinnvoll oder nicht? Wieviel Abstand zum Mitmensch ist richtig? Und so weiter.

Und die Menschen begannen, sich im Alltag mit Covid19 einzurichten, sich an Regeln zu halten, die vor wenigen Wochen als völlig inakzeptabel abgelehnt worden wäre, nicht einmal vorstellbar gewesen wären. Sie passten sich an.

Neben den gesundheitlichen und ökonomischen Herausforderungen hat uns diese Krise jedoch etwas Außerordentliches gezeigt, nämlich, dass wir Menschen Unglaubliches zustande bringen können, wenn wir bereit sind, die Energie dafür aufzuwenden. Und noch mehr hat uns diese Krise gezeigt, nämlich dass wir kreativ werden, wenn es um unser Überleben geht.  

Was hat uns diese Krise bisher noch gelehrt?

  • Wenn es ums Überleben geht, mobilisieren wir ungeheure Energien
  • In Krisen werden wir kreativ
  • Wir beginnen, uns wieder mehr um Andere zu kümmern
  • Wir sind soziale Wesen
  • Leben ist etwas Kostbares und Fragiles. Es kann jederzeit enden
  • Viele Menschen erinnerten sich in dieser Zeit, was für sie wirklich wichtig und wertvoll ist, z. B. Begegnungen mit Familie, Freunden, Nachbarn, Bekannten etc.
  • Wir überdenken unsere Werte. Viele Menschen begannen aufzuwachen und sich auf die höheren menschlichen Werte zu besinnen
  • Wir konnten erkennen, wie stark verbunden wir auf unsere Erde sind, und dass ein Virus sich nicht an Grenzen hält
  • Der Wert und die Kraft der Natur wurden von Vielen neu entdeckt
  • Die Natur begann, sich in raschen Schritten zu erholen. Der Himmel wurde klarer, das Meer ruhiger, Wildtiere wurden wieder vermehrt sichtbar und die Menschen begannen, ihre Umwelt wieder bewusster wahrzunehmen
  • Wir entdeckten neue Wege der Zusammenarbeit und wie viel mehr möglich ist, als wir uns bisher vorstellen konnten
  • Widerstände und Vorurteile wurden über Bord geworfen und neue Dinge ausprobiert
  • Wir konnten die Schwachstellen in unserer globalisierten Wirtschaft erkennen
  • Wir begannen, vermehrt globale, partei- und staatsübergreifende Hilfsprogramme zu entwickeln und wurden uns gleichzeitig der Wichtigkeit der regionalen Produktion bewusst
  • Wir erkannten, dass die Sicherheit, in der wir uns wähnen, nicht so stark ist, wie wir uns gerne einreden

Dieser Virus und der damit einhergehende Lockdown brachten sehr viel Gutes und mein Wunsch wäre es, dass wir so einen Lockdown alle paar Jahre wiederholen.

Einen 4-wöchigen Lockdown, ohne den Druck durch einen Virus, einfach freiwillig und zu den gleichen Bedingungen. Damit wir als Gemeinschaft immer wieder bewusst innehalten und uns Zeit nehmen, unsere Werte zu überdenken und notwendige Korrekturen zu machen.

Im alltäglichen Arbeitsprozess geht dieses Innehalten oft unter und wir vertrösten uns auf später. Auf die Zeit, wenn wir dann… 

Wir springen dem scheinbar Wichtigen hinterher und vergessen darüber oft, was wirklich zählt. Auf dem Totenbett bereuen viele Menschen, nicht gelebt zu haben. Nicht mutiger gewesen zu sein, um für die eigenen Bedürfnisse einzustehen.  

Ich weiß, mein Vorschlag ist utopisch und ich stelle mir schon die vielen Einsprachen vor, von jenen, die unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand ins Feld führen und argumentieren, dass wir dies nicht riskieren sollten. Jedoch, wenn wir ganz ehrlich sind, wissen wir, dass diese Ruhephasen uns allen und unserem Planeten guttun würden. Wenn wir ganz ehrlich sind, wissen wir, dass wir im Moment einen großen Teil unseres Wohlstands der Ausbeutung anderer Menschen und unseres Planeten verdanken.

Regelmäßige Besinnung und Erkennen dessen, was für uns wirklich wichtig ist, würde unsere Konsumgesellschaft wandeln und zu einem verständnisvolleren Umgang miteinander und mit unseren Ressourcen führen.  

 

von Gerhard Schobel

Mehr Blogbeiträge

Sende uns eine Nachricht

aeon Newsletter

Jetzt abonnieren und nichts mehr verpassen!